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monitor.at: Gute Cloud gegen böse Cloud?
Anlässlich des 9. Europäischen Datenschutztags erneuerte Fabasoft seine Forderung nach einem europäischen Cloud-Gütesiegel. Tobias Höllwarth ist da ganz anderer Meinung.
Nur mit einem Gütesiegel könne man die Vertrauenskrise überwinden und die digitale Gesellschaft bzw. die europäische Wirtschaft vom Potenzial von Cloud-Dienstleistungen überzeugen, heißt es. Helmut Fallmann, Vorstand der Fabasoft AG, schlägt vor, ein Gütesiegel für eine europäische Cloud zu entwickeln, mit dem Anbieter die Erfüllung definierter Qualitätskriterien nachweisen können. Bei einer europäischen Cloud müssen die Dienstleistungen überwiegend europäischen Ursprungs sein und in hohem Maße zu europäischer Wertschöpfung, auch durch Steuern und Abgaben, beitragen.
"Ein destruktiver Gedanke"
Tobias Höllwarth, Vicepresident EuroCloud Europa, kann diesem Ansinnen allerdings nur sehr wenig abgewinnen: „Helmut Fallmann und ich beurteilen einige der europäischen Entwicklungen durchaus ähnlich. Die Tatsache, dass noch immer keine einheitliche europäische Datenschutzrichtlinie erlassen wurde, ist fast schon peinlich, jedenfalls aber standortschädigend. Und dass Unternehmen in Europa, insbesondere in der DACH-Region, sich dem Cloud-Thema besonders vorsichtig nähern, ist eine Tatsache. Damit hört sich die Übereinstimmung aber bereits auf, denn Herr Fallmann fordert ein europäisches Gütesiegel für eine europäische Cloud, von europäischen Eigentümern betrieben in europäischen Rechenzentren. Dafür fehlt mir als überzeugtem Europäer jedes Verständnis – ich halte das für einen destruktiven Gedanken. Es ist doch so, dass derzeit jeder Hersteller, der kein globaler Anbieter ist, versucht, das Produkt des eigenen Landes oder Kontinents als das bessere oder geeignetere darzustellen. Made at Home, Austrocloud, die deutsche Cloud – und in den USA hält man nur die US-Cloud für angemessen und sicher. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht macht es durchaus Sinn, wenn ein Anbieter, der in einer eingegrenzten Region erfolgreich sein möchte, eindringlich ermittelt, dass Cloud nur aus eigenem und lokalem Betrieb das wirklich Wahre ist. Auch viele amerikanische Anbieter tun das und setzen ungeniert auf frech agierende Lobbyisten der CSA in Brüssel. Ein besonderes Merkmal unserer Zeit ist jedoch die zunehmende Bedeutungslosigkeit von Grenzen. Und das Wesen der Cloud ist eben, dass sie weltweit funktioniert und sowohl aus ökonomischer wie aus technischer Sicht Barrieren mit Länderkolorit meist keinen Sinn machen. Was für den global denkenden Cloud-Anbieter ein Vorteil ist, ist für den lokal operierenden Anbieter möglicherweise ein Verdruss. Wie in jeder Technologie braucht es technische, soziale und juristische Standards, die es dem Anbieter leichter machen zu produzieren und die es dem Nutzer leichter machen zu kaufen, weil er sich darauf verlassen kann, dass alles so funktioniert wie versprochen. Wir kaufen heute Ahornsirup aus Kanada und Fleisch aus Argentinien, warum soll die Cloud jetzt aus einem deutschen Rechenzentrum kommen – überspitzt formuliert? Ein Cloud-Produkt muss einen Usecase so gut bedienen, kommerziell attraktiv und so verlässlich und vertrauenswürdig sein, dass es oft gekauft wird – egal, wo auf der Welt. Ist das nicht der Fall, hilft auch der Ruf nach gesetzlichen Rahmenbedingungen nichts, die einen Markt abschotten. Made in Europe ist ein Marketingbegriff. Was wir in Europa brauchen, sind viele wirklich gute Cloud-Produkte, die von vielen Kunden weltweit gekauft werden. Der Gesetzgeber soll seinen Auftrag erfüllen, die gesamten volkswirtschaftlichen Konsequenzen im Auge zu behalten und muss daher zweifelsfrei auch für die Cloud einen regulatorischen Rahmen abstecken. Aber nicht, um einseitig zu bevorzugen oder auszugrenzen, sondern um für alle gleichermaßen geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen und eine Balance zwischen Anbieter und Nutzer herzustellen.
Ausgewogene Balance
Ein Wort noch zu Cloud-Zertifizierungen. Die EU-Agentur ENISA definiert bereits jetzt, was ein sinnvoller Cloud-Standard ist. Denn die meisten aktuell angepriesenen Cloud-Zertifizierungen erweisen sich bei näherer Betrachtung als nicht zu gebrauchen. Das EuroCloud Star Audit (ECSA) grenzt nicht aus, sondern unterstützt jene, ie sich bemühen, Topqualität und verlässliche Sicherheit zu bieten, damit sie einen Wettbewerbsvorteil erzielen können. Und ECSA achtet auf KMU, denn 99 Prozent aller europäischen Unternehmen (Anbieter und Nutzer) haben weniger als 250 Mitarbeiter. Hier gilt es, zwischen dominanten Marktteilnehmern und einer Unmenge an kleinen Nutzern eine ausgewogene Balance zu schaffen. Hier denken wir europäisch, aber auch in den meisten anderen Ländern der Erde bestehen ähnliche Anforderungen.
Aus makroökonomischer Betrachtung erstaunt mich immer wieder, wie man die 2,5 Mio. neuen Arbeitsplätze berechnen kann, die durch die Einführung von Cloud-Standards, wie sie Herr Fallmann wünscht, angeblich geschaffen werden können. Langfristige Wertschöpfung und damit Arbeitsplätze werden meiner Meinung nach weiterhin nur durch intelligente Produkte, hochqualifizierte Mitarbeiter in einem gesunden Wettbewerbsumfeld geschaffen – nicht durch künstliche Lokalisierung.“
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